Ansprache von Mauro Inderbitzin, Absolvent 2022

Geschätzte Absolventinnen und Absolventen, geschätzte Freunde und Familie, geschätzte Lehrpersonen

Starten wir gleich mit einer Frage an die Absolventinnen: Wer weiss noch, wie man eine perfekte Rede schreibt? Hand hoch, bitte!

Ich musste auch nachschauen gehen.

Alle, die im Deutschunterricht aufgepasst haben und sich mit dem Schreiben einer Rede auseinandergesetzt haben, denken sich nun: «Aha, typischer Start: eine Hand-Hoch-Frage, um das Publikum zu involvieren.» Ja was soll ich sagen? Ertappt. Aber scheint ja zu funktionieren, oder?

Was war das nur für ein Jahr? Dabei war es nicht einmal ein ganzes Jahr, und doch zog es sich teilweise in die Länge. Andererseits standen die Prüfungen am Ende doch relativ plötzlich vor der Tür. Wer kann sich noch erinnern? Anfänglich sind wir uns noch mit Masken und Distanz begegnet, heute sitzen wir alle munter und erleichtert in der Aula der Kantonsschule Reussbühl. Viele hielten dies nicht für möglich. Allerdings bleibt dabei die Frage nach dem Auslöser offen. War es wirklich die pessimistische Einschätzung der pandemischen Lage, die uns an dieser Veranstaltung zweifeln liess, oder nicht doch die bevorstehenden Ergänzungsprüfungen, die vielen von uns Sorgen bereiteten? Wahrscheinlich ist es die zweitgenannte Option und da kann ich uns alle beruhigen. Wir sitzen hier mit Stolz und Erleichterung, weil wir die Ergänzungsprüfungen bestanden haben.

Aber was haben wir denn tatsächlich gemeistert? Wir alle können von uns behaupten, dass wir durch das erfolgreiche Überstehen von elf Prüfungen acht Fächer abgeschlossen haben. Elf Prüfungen, das ist eine stattliche Zahl und definitiv auch etwas, worauf man stolz sein darf. Aber fangen wir von vorne an. Wir alle haben im letzten Herbst mit der Vorbereitung auf das Passerellen-Jahr angefangen. Die anfängliche Auseinandersetzung mit diversen Fächern wurde nicht selten als kompliziert, unverständlich oder überfordernd beschrieben. Doch wir haben uns reingekniet und es hat sich offensichtlich gelohnt. Der teilweise eher holprige Start wurde gut überwunden. Doch was bedeutet das für die einzelnen Fächer?

Nicht wenigen bereitete im Deutschunterricht das Werk «Fabian» von Erich Kästner grosse Mühe. Auch wenn man es verstand, waren einem die Symbolik und Andeutungen zwischen den Zeilen oft sehr fremd. Rückblickend kann man sagen, dass wir damals zu unserem Glück noch nichts wussten von den weiteren bevorstehenden Werken, bei denen sich dieser Trend noch durchaus verstärkte. Nicht nur im Fach Deutsch, auch in Englisch setzten wir uns mit Literatur auseinander. Von Kurzgeschichten bis zu dem Klassiker «Of Mice and Men» von John Steinbeck bis hin zu den Abschluss-Lektüren war auch hier alles dabei, und wir waren jeweils gut gefordert. Literaturschlüssel sei Dank. Mit der Mathematik verbinden wenig überraschend viele Schüler ganz verschiedene Gefühle. Teilweise positive, teilweise negative, doch wir alle haben es geschafft. In der Mathematik laufen Kurven im Koordinatensystem verschieden, auch die Laune des Passerellen-Schülers unterliegt während des Jahres gewissen Schwankungen, mal vorsichtig ausgedrückt. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass wir alle im Intervall der Passerelle uns momentan auf dem relativen Extremum, dem Höhepunkt der guten Laune befinden.

Die naturwissenschaftlichen Fächer hielten uns alle auf Trab. Langeweile und Unterforderung waren dabei seltene Gefühlsstadien. Dabei fing es so harmlos an. In der Physik mit der Dynamik, in der Chemie mit der Unterscheidung von Metall und Nichtmetall und in der Biologie mit dem Aufbau einer tierischen und einer pflanzlichen Zelle. Und zack, passte man einmal nicht auf, fand man sich mit der Unterscheidung von Ketonen und Aldehyden herausgefordert und verstand nur noch Bahnhof. Ich gebe zu, das ist etwas übertrieben, aber Passerellen-typisch war auch hier das Tempo hoch und der Stoffumfang ambitiös.

Nicht vergessen darf man die Fächer Geografie und Geschichte. Speziell in Geschichte wusste ich die Konstanz sehr zu schätzen. Da hiess es nicht, neuer Tag neues Glück, sondern eher neue Woche, neues Buch lesen, zusammenfassen und lernen. Ich kann ihnen ehrlich gesagt nicht sagen, wieviele Bücher der Geschichtsstoff umfasste. Doch ich kann Ihnen sagen, dass es mehr als genug waren und ich die aktuelle Pause davon ehrlicherweise geniesse.

Auch die Geografie glänzte durch Variabilität. Von Humangeografie, räumlichen Disparitäten, Raumplanung bis hin zu meinem persönlichen absoluten Favoriten, der Petrografie. Die Wissenschaft der chemischen Zusammensetzung der Gesteine hat mir einen unglaublichen Spass bereitet, weswegen ich dieses Thema mit höchstem Interesse in den vergangenen Monaten erlernt habe. Auch wenn ich jetzt ins Publikum schaue, scheinen sich meine Mitschülerinnen und Mitschüler angesichts dieser Erinnerungen ebenfalls kaum halten zu können vor Freude und Begeisterung.

Spass bei Seite. «Wissen ist Macht» ist nicht nur ein beliebter Marketing-Slogan, er hat tatsächlich auch einen wahren Kern. Ich persönlich sehe den Mehrwert der Passerelle nicht alleine darin, dass sie Türöffner für die Universitäten ist. Klar ist es schön, dass jeder und jede nun den eigenen Weg gehen und sich beliebig weiterbilden kann. Nehmen wir mich als Beispiel. Endlich kann ich meine ganze Aufmerksamkeit der Petrografie widmen – oder vielleicht auch nicht.

Nein, die Passerelle ist mehr. Sie gibt einem die Möglichkeit, das persönliche Wissen drastisch zu erweitern, neue Themenbereiche oder vielleicht sogar Interessen zu entwickeln und sie lehrt einen, wie man in kurzer Zeit mit sehr viel Stoff umgehen kann und muss. Das alles passiert zudem in einem regen Austausch zwischen den Mitschülerinnen und Mitschülern.Um diesen Prozess erfolgreich zu vollziehen, hatten wir Braven natürlich auch reichlich Hilfe. Ich möchte die Gunst der Stunde nutzen, um allen Lehrpersonen und Helfern, die diese Passerelle möglich machen, danken, im Namen von allen Schülerinnen und Schülern, für ihre unermüdliche Ausdauer und Unterstützung. Da darf man ruhig auch mal klatschen. Ausserdem ist es auch wichtig, dass wir gegenüber unseren Mitschülerinnen und Mitschülern sowie Mitmenschen und Familie Dankbarkeit zeigen. Danke für eure Unterstützung in jeder Hinsicht, danke für die geteilten Zusammenfassungen und danke, dass ihr uns auch in stressigen Zeiten beigestanden seid. Dankbarkeit ist ein gutes Stichwort, diese verspüre ich momentan auch, da Sie, liebes Publikum, so aufmerksam meinen Worten zugehört haben. Vielen Dank daher auch von meiner Seite. Ich wünsche Ihnen allen schon einmal das Beste auf Ihrem zukünftigen Weg.

Mauro Inderbitzin

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