Ines, du warst bestimmt eines der fleissigsten Bienchen in unserem Volk. Kurz vor Antritt deiner unbefristeten Anstellung hast du dich entschieden, weiterzufliegen und dich auf neue Abenteuer einzulassen.
Bevor du 2019 zu uns an die Passerelle kamst, hast du ein bewegtes und vielseitiges Berufsleben geführt. Nach dem Primarlehrerinnen-Diplom hast du an der Universität Zürich den Master in Anglistik und Russistik nebst dem Höheren Lehramt erworben. Unterrichtet hast du auf allen Schulstufen, von der Primarschule bis zur Hochschule. Zudem warst du eine Zeit lang Internatsleiterin an der Stiftsschule Einsiedeln und bist als diplomierte praktische Psychologin nebenher einer selbstständigen Praxistätigkeit in Luzern nachgegangen. Somit hast du vielfältigste Erfahrungen in vielen Bereichen in die MSE gebracht, und ich bedaure es aufrichtig, dass wir nur ein Schuljahr gemeinsam bestreiten durften.
Du hast dich nicht nur im Unterricht für die MSE eingesetzt, sondern auch den Mittwoch à la carte mit einem spannenden Projekt zum Thema «Developing personal skills» bereichert und ein Beratungsangebot für Studierende in schwierigen Situationen aufgezogen. Auf beides werden wir in Zukunft leider verzichten müssen.
In allerbester Erinnerung aber ist mir die Lektion geblieben, die ich bei dir besuchen durfte. Das Thema «Formal and informal language» hast du anhand des Videos «8 Secrets to Success» von Richard St. John mit den Studierenden anschaulich und verständlich diskutiert. Und obwohl es eigentlich um formale Aspekte der Sprache ging, hast du uns allen hier eine gehörige Portion an praktischer Lebensweisheit aufgetischt.
Was waren diese acht Secrets schon wieder? «Love what you do; work really hard; focus on one thing, not everything; keep pushing yourself; come up with good ideas; keep improving yourself and what you do; serve others something of value, because success isn’t just about me, me, me; and persist, because there’s no overnight success.»
Eigentlich erkenne ich dich in vielen dieser «Secrets» wieder: Du liebst dein Fach. Du arbeitest hart, bist fokussiert, dein Unterricht ist ideenreich, du hast eine hohe Kompetenz in vielen Belangen, stellst höchste Ansprüche an dich selbst sowie an die Studierenden, und du stellst vor allem den Lernerfolg der Studierenden ins Zentrum deines Schaffens.
In mehreren Gesprächen hast du kein Hehl daraus gemacht, dass dich die Heterogenität der Studierenden an der Passerelle bezüglich Vorwissens, fachlicher Neugier und Arbeitshaltung fordert und dass dich die Arbeitshaltung mancher Studierender enttäuscht. Gleichzeitig aber hast du auch betont, dass du einen grossen Teil der Passerellen-Studierenden als hoch motiviert wahrnimmst, wenn auch zuweilen von der schieren Menge des Lernstoffes und der zahlreichen zu erfüllenden Aufgaben etwas überfordert.
Wie wichtig dir Wohlergehen und Erfolg deiner Studierenden waren und sind, habe ich beim Ende deiner letzten Lektion am Samstag, in die ich hineingeschneit bin, noch einmal miterleben dürfen. Jede und jeden hast du mit Handschlag, Schoggikäfer und vor allem einem persönlichen Wort und Glückswunsch verabschiedet. Die gegenseitige Wertschätzung war spürbar.
Nun willst du das Wagnis der Selbständigkeit eingehen. Wirklich schade, dass du im Unterrichten für dich keine Zukunft mehr siehst.
Ich danke dir für dein Engagement an der Passerelle und wünsche dir auf deinem weiteren Weg, wohin er dich auch führen möge, alles Gute und in allen Belangen viel Erfolg.
Dr. Luigi Brovelli
Also, ich möchte nur ganz kurz vor dem eigentlichen Hauptakt, wenn Ines von Claudia verabschiedet wird, meinerseits, quasi als Vorgruppe, ein paar Worte loswerden, obwohl ich als reiner Gymasialer kein lupenreiner Fachschaftskollege der reinen Passerellerin Ines gewesen bin. Aber als Bürokollege habe ich dennoch das Bedürfnis, Ines nicht einfach wortlos gehen zu lassen. Für diejenigen unter euch, die es nicht wissen: Wie hat das in unserem Büro ausgeschaut? Damit ihr euch unsere Arbeitssituation vorstellen könnt, müsst ihr euch folgendes Szenario veranschaulichen: Ich sitze im Fachschaftszimmer an meinem Arbeitsplatz zum Fenster hin, meine Schultermuskulatur nie vollständig entspannt, weil hinter mir immer so eine unglaubliche Energie zu spüren war – ich wusste nie, ob mir etwas um die Ohren fliegen würde. Hinter mir war das Energiebündel Ines am arbeiten. In dieser Situation schaut man nicht nach hinten, man hofft, es gehe alles gut.
Normalerweise sind ja diese Schuljahresabschlüsse eher eine entspannte Sache für die Mitglieder der Englisch-Fachschaft. Nach den Notenkonferenzen sitzt man noch gemütlich beisammen und läutet bei Speis und Trank die Sommerpause ein. Verabschiedungen machen andere, denn bisher hat die Regel gegolten: Englisch-Lehrpersonen wird man fast nicht los.
In diesem Jahr hat mir allerdings das Bier einiges bitterer geschmeckt als in den vergangenen Jahren. Ines’ Entscheidung, die MSE zu verlassen, hat mich ehrlich gesagt schon etwas überrascht. Für die Schule ist ihr Weggang sicher ein Verlust. Dies zeigt sich nur schon am Umstand, dass es gleich drei neue Lehrerinnen braucht, um dich zu ersetzen.
Ines, ich werde im Büro ohne dich einiges vermissen: Natürlich deine Anwesenheit. Es war schön, am Samstagmorgen nicht in ein leeres Fachschaftszimmer zu kommen. Deine Humorfähigkeit auch bei schwierigen Fällen, den Austausch bezüglich schulischer Angelegenheiten, das gemeinsame Jammern, und und und …
Zum Schluss möchte ich es auch nicht unterlassen, dir für eine Erkenntnis in einer der grossen existentiellen Lebensfragen zu danken, die ich dank dir erlangt habe. Bevor wir uns begegneten, dachte ich immer, Bürostühle hätten Räder wegen der Person, die darauf sitzt. Jetzt weiss ich: Die Räder dienen dem Zweck, den Stuhl einfacher aus dem Weg schieben zu können, wenn die Benutzerin ihn wieder einmal mitten im Gang, das heisst den Zugang zu meinem Arbeitsplatz versperrend, herumstehen liess.
Mit den besten Wünschen für deine Zukunft, Ines, übergebe ich das Wort Claudia.
Martin Rohrer
Liebe Ines
Begegnet sind wir uns zum ersten Mal persönlich bei deinem Vorstellungsgespräch für die Stelle als Englischlehrerin an der Passerelle. Du warst voller Elan, hast gezielte Fragen gestellt und wärst sogar bereit gewesen, gleich von Anfang drei Klassen zu übernehmen. Wir wollten dir jedoch nicht sofort so viel Arbeit zumuten, und so blieb es bei zwei Klassen für dich und eine als letztes Mal für mich, und danach solltest du meine Nachfolgerin werden.
Ich begleitete dich in diesem ersten Jahr als Mentorin – nicht, dass du als erfahrende Lehrperson Ratschläge nötig gehabt hättest –, und es ergaben sich immer mal wieder Gelegenheiten, etwas genauer zu besprechen und zu diskutieren. Dir ging es stets darum, das Optimum für deine Studierenden rauszuholen, ihnen gezielt die Werkzeuge für ein erfolgreiches Bestehen der Prüfungen zu vermitteln und bereits bei der ersten Prüfung, die von einer unserer Partnerschulen erstellt wurde, gabst du wertvolle Inputs.
Die Passerellenprüfungen im Fach Englisch – nicht nur dort – bedeuten für die Lehrpersonen einen grossen Aufwand. Nebst den Korrekturen der schriftlichen Prüfung vor den Sommerferien müssen auch die mündlichen Literaturprüfungen vorbereitet werden: Das beinhaltet das Lesen tausender Seiten, es gilt Auszüge und Fragen zusammenzustellen und vorzubereiten. Vor allem im ersten Jahr ist dies eine gigantische Aufgabe. Und wie hast du diese in Angriff genommen und gemeistert? Indem du dich jeweils mit einem Stapel Bücher und mit einem Zelt bepackt in die abgeschiedene Natur begeben und dich dort schon mal mit den vielen Lektüren vertraut gemacht hast!
Aus deinen zwei Klassen wurden drei, dann kurzfristig vier, die du mit enormem Einsatz und Herzblut betreut hast. Trotz der grossen Belastung hast du aber, zumindest in unseren privaten Gesprächen und im Schulzimmer, nie den Humor verloren, bist aufgestellt, interessiert gewesen, hast dich kritisch mit dem Unterricht und Zielsetzungen auseinandergesetzt und hast immer ein offenes Ohr gehabt, wenn einen selbst der Schuh irgendwo drückte.
Deine Ankündigung, so kurz nach deiner Überführung in das unbefristete Verhältnis die MSE zu verlassen, hat bei mir grosses Bedauern ausgelöst, denn wir verlieren mit dir eine liebenswerte, schaffensfreudige, engagierte, kompetente und zuverlässige Kollegin.
Wir wünschen dir für deinen weiteren Berufs- und Lebensweg, auch mit deinem Partner, alles Gute und Liebe, Befriedigung durch interessante neue Aufgaben, viel Glück und Gesundheit.
Liebe Ines, deine Welt sind die Berge – keine Angst, ich fange jetzt nicht an zu singen (für die Jüngeren unter euch: das ist eine Anspielung auf die japanische Heidi-Trickfilmserie, die in unseren Kindertagen populär war) –, deshalb haben wir uns gedacht, wir lassen dich für einmal nicht in Büchern schmökern, sondern in einem Outdoor-Geschäft, damit es dir auf deinen Unternehmungen mit Büssli, Zelt und Wanderschuhen an nichts mangelt.
Claudia Waterbär