Liebe Maturae, liebe Maturi
Liebe Angehörige und Freunde, sehr geehrter Herr Brovelli, geschätzte Lehrerinnen und Lehrer der MSE
Mit grosser Freude bin ich heute hierhergekommen. An einen Ort, an dem ich mich immer sehr wohl gefühlt habe. Aber seien Sie versichert, es fühlt sich definitiv besser an, hier in der Aula zu stehen und eine Rede zu halten, als in diesem Saal an einem Pult zu sitzen und Maturaprüfungen zu schreiben. Sie, liebe Klasse M19, haben genau dies während der letzten Wochen gemacht. Sie haben hier geschwitzt und dies wohl nicht nur wegen der Hitze. Obwohl meine Maturitätsprüfungen bereits vier Jahre zurückliegen, kann ich mich noch gut daran erinnern, dass diese der letzte grosse Schritt einer langen Reise waren. Sie, liebe Maturandinnen und Maturanden, haben diese Reise vor rund dreieinhalb Jahren zusammen begonnen und schliessen sie heute erfolgreich ab. Dazu gratuliere ich Ihnen von ganzem Herzen.
Liebe Gäste, wissen Sie noch, was Sie am 30. Januar 2019 gemacht haben oder wo Sie am späteren Nachmittag waren? Nein! Die Absolventinnen und Absolventen der Klasse M19 können sich bestimmt noch lebhaft daran erinnern. Sie haben den Vorkurs zur MSE begonnen. Rund 10 Menschen haben sich zum ersten Mal getroffen. Einige sind später dazugestossen, andere haben eine Zusatzschlaufe eingelegt. Ihnen allen gemeinsam war ein grosses Ziel: Das Erlangen der gymnasialen Matura.
Das Jahr 2019 stellt für Sie, liebe Maturandinnen und Maturanden eine Zäsur dar. Freizeit wurde plötzlich zu einem knappen Gut. Aus der Wirtschaft wissen wir, dass es die Preise sind, welche die Verteilung der knappen Güter regeln. Ihr Preis: 1’600 Lektionen Präsenzunterricht – für einige auch etwas weniger –, eine Maturaarbeit und unendlich viele Stunden über den AKAD-Büchern. Dafür haben Sie sich neue Kompetenzen angeeignet, Ihren Wissensrucksack gefüllt und lebenslange Freundschaften geschlossen. Sie dürfen heute mit Genugtuung und grosser Freude Ihre Maturazeugnisse entgegennehmen. Eine bunte Gruppe von Maturandinnen und Maturanden aus den verschiedensten Lebensbereichen und Altersgruppen. Sie sind gemeinsam einen langen Weg gegangen.
Beim Sammeln von Ideen für diese Rede bin ich auf ein Zitat von Nelson Mandela gestossen: «Ein guter Kopf und ein gutes Herz sind immer eine eindrucksvolle Kombination.» Nelson Mandela veränderte die Welt, aber zuerst veränderte er sich selbst. Er wurde vom Freiheitskämpfer zum Gefangenen und danach zum Präsidenten Südafrikas. Auch Sie haben sich weiterentwickelt. Am Anfang Ihres Weges stand die Motivation, sich zu verändern und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Dank diesem Willen, sich auf Neues einzulassen, konnten Sie während den letzten Jahren neues Wissen erlangen und neue Fähigkeiten entwickeln. Die Palette Ihres Könnens und Wissens ist gewachsen und Sie haben Ihren Horizont erweitert.
Damit dies gelingt, bedarf es unglaublich viel Motivation. Positive Energie, die für gewisse Tätigkeiten und Schulfächer einfacher zu finden ist als für andere und deren Fehlen über Erfolg und Misserfolg entscheiden kann. Vielleicht haben auch Sie unter einem weitverbreiteten Phänomen während der Prüfungsphasen gelitten, der Prokrastination: Plötzlich musste noch das Auto gewaschen oder die Spülmaschine ausgeräumt werden, bevor man sich in den Lernstoff vertiefen konnte. Die Tatsache, dass Sie heute hier sitzen, zeigt uns allen, dass Sie sich immer wieder aufs Neue motivieren konnten und gegen Ablenkungen jeglicher Art gefeit waren. Dies ist umso beachtlicher, als Sie alle neben der Ausbildung weitere berufliche und familiäre Verpflichtungen haben.
Sie waren mutig und haben im Jahr 2019 Altbekanntes verlassen und sich auf unsicheres Terrain gewagt. Dieser Schritt hat sie weitergebracht und gleichzeitig in verschiedensten Bereichen Ihres Lebens herausgefordert. Das neuerlangte Wissen hat dazu geführt, dass Sie Ihre Haltung in den unterschiedlichsten Bereichen überdenken mussten und sich bei Ihnen Werte verschoben haben. Bis dahin Selbstverständliches wurde am Wegrand zurückgelassen und neue Fragen sind aufgetaucht. Mit dem Erlangen der gymnasialen Matura ist ihr Wissensdurst hoffentlich noch nicht gestillt. Gehen Sie auf dem eingeschlagenen Weg weiter, bleiben Sie neugierig und offen für Neues. Setzen Sie sich lebenslang mit den grossen und kleinen Fragen des Lebens auseinander und hinterfragen Sie Dinge. Denn getreu dem Motto «Bildung trägt» aus dem Leitbild der MSE geht mit Bildung eine gesellschaftliche Verantwortung einher. Nehmen Sie diese wahr.
Ihr Klassenlehrer Dimitrios Louloudis unterrichtet Geschichte. Ein Unterrichtsfach, das mich persönlich immer fasziniert und geprägt hat. Wir durften erfahren, dass man das Heute nur verstehen kann, wenn man das Gestern kennt. Nur dann können wir die Zukunft gestalten und müssen die gleichen Fehler nicht wiederholen. Die aktuelle Weltlage führt uns diese Tatsache in trauriger Weise vor Augen. Mehr denn je benötigen wir heute gebildete Menschen, die ihr faktenbasiertes Wissen in unsere Gesellschaft einbringen und so ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Sie haben das Rüstzeug dazu und können mit einer guten Mischung aus Motivation, Haltung, Wissen und Können vorwärts gehen, mit Selbstvertrauen agieren und etwas bewegen. Sie müssen nicht wie Nelson Mandela Präsident werden, aber Sie können durch mutige Handlungen Zivilcourage zeigen und die Welt um Sie herum positiv beeinflussen.
Darauf baut eine gut funktionierende Gesellschaft auf. Sie haben bewiesen, dass Sie bereit sind, Ihren Beitrag dazu zu leisten. Jetzt kommt es darauf an, was Sie aus Ihren Erfahrungen, Ihrem Wissen und Ihren Freundschaften aus der MSE-Zeit machen. Ich wünsche Ihnen eine gute Kombination von Kopf und Herz und viel Freude bei allem, das Sie in Angriff nehmen. Aber zuerst erhalten Sie Ihre Maturazeugnisse und werden gefeiert – das haben Sie sich verdient. Ich ziehe meinen Hut vor Ihrer Leistung und gratuliere Ihnen herzlich dazu.